Technische Großtierrettung – sicher und tierschonend retten

Technische Großtierrettung – sicher und tierschonend retten

Neben den zahlreichen Einsatzaufgaben heißt es in den Leitstellen von Feuerwehren häufig auch: Einsatz Tierrettung. Nicht immer ist es dann die sprichwörtliche Katze auf dem Baum, für die Einsatzkräfte der Feuerwehren ausrücken. Die Zahl der Einsätze, an denen große Tiere wie Pferde, Rinder, Lamas oder Esel etc. beteiligt sind, steigt seit Jahren. „Mein Pferd ist in einen Graben gerutscht und schafft es nicht mehr allein heraus. Ein PKW mit Pferdeanhänger ist in einen Verkehrsunfall verwickelt. Ein Rind ist in die Güllegrube gefallen.“ So klingen die Meldungen, die bei den Einsatzzentralen eingehen. Gefordert sind in einem solchen Fall nicht nur die Rettungsorganisationen. Auch immer mehr landwirtschaftliche Betriebe, Tierparks und Veterinärmediziner erkennen die Notwendigkeit, auf derartige Situationen gut vorbereitet zu sein. Denn Fakt ist: Die Zahl der Rettungseinsätze für große Tiere, die in eine Notlage geraten sind, nimmt seit Jahren zu

Nicht nur Menschen geraten in Situationen, in denen professionelle Hilfe benötigt wird. Das passiert auch Tieren. Um bestmöglich für einen tierischen Rettungseinsatz vorbereitet zu sein, fand am 29. März für 20 Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr Bad Camberg-Würges sowie als Bonusteilnehmer für einen Studenten der Tiermedizin ein Großtierrettungstraining statt.

Mit der ganztägigen Ausbildung „Technische Großtierrettung – Menschen schützen, Tiere schonen, Werte erhalten“ werden die Retter auf die besonderen Gefahren und Herausforderungen an Einsatzorten mit großen Tieren vorbereitet. Ziel des Trainings ist eine sichere und tierschonende Rettung. Bis vor einigen Jahren – und leider erlebt man das auch heute noch – wurde in solchen Fällen improvisiert. Oft blieb dabei die Sicherheit der Einsatzkräfte auf der Strecke, das Wohlergehen der Tiere fast immer. Hier hat sich glücklicherweise viel geändert. Immer mehr Menschen und Organisationen entwickeln ein Bewusstsein für die speziellen Gefahren und Herausforderungen von Großtierrettungseinsätzen und entscheiden sich für ein Training der technischen Großtierrettung, um in diesen anspruchsvollen Einsatzsituationen sicher und tierschonend agieren zu können. So auch die Verantwortlichen der Feuerwehr Bad Camberg-Würges.

Lernen und üben für sichere und tierschonende Großtierrettungseinsätze

Einen ganzen Tag nahmen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Trainings für das Thema. Der Trainingstag begann mit einem Seminarteil, bei dem die angehenden Großtierretter wichtiges Grundlagenwissen erhielten. Neben der ganzheitlichen Analyse der Einsatzsituation ging es um die richtige Einschätzung des Verhaltens von Menschen und Tieren unter Stress. Das Tier ist ein Lebewesen, das anders wahrnimmt als wir Menschen, das besonders unter Stress unvorhersehbar reagieren kann. Hier muss man gewappnet sein, sich als Retter wirkungsvoll schützen und im Team effizient agieren. Ein weiteres wichtiges Thema des Seminarteils ist das konsequent auf Sicherheit setzende Personenmanagement. Das bezieht sich nicht nur auf die Einsatzkräfte und Veterinärmediziner, sondern auch auf andere am Einsatzort anwesende Personen wie die Tierbesitzer oder zufällig anwesende Personen. Denn nicht wenige Menschen setzen bei dem Versuch, einem in Not geratenen Tier zu helfen, bereitwillig und ohne Überlegung ihre eigene Gesundheit und Sicherheit aufs Spiel. Auch Anwendung geeigneter Einsatzstrategien sowie sichere und tierschonende Vorgehensweisen wurden thematisiert: Die technische Großtierrettung hat viele Facetten. Der Bezug zur Praxis wurde in diesem ersten Seminarteil des Trainingstages anschaulich anhand mehrerer, teils haarsträubender Einsatzvideos aus aller Welt hergestellt.

Einsatzübungen mit lebensgroßem Rettungsdummy “Sam“ 

Nach gut zwei Stunden zur Vermittlung von Grundlagenwissen gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Trainings ins Gelände, um das Erlernte am Beispiel verschiedener Einsatzszenarien praktisch anzuwenden und zu üben. Hierfür hatte der Trainer Lutz Hauch um ein Gelände gebeten, das für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer echte Herausforderungen bereithält. „Ideal sind Hänge und Gräben, Wasserläufe, Morast, Unterholz oder auch dichter Baumbestand“, weiß Großtierrettungstrainer Hauch aus Erfahrung. „Es ist kaum zu glauben, in welch haarsträubende Situationen sich Tiere immer wieder bringen. Schwierigste Gelände sind im Einsatz eher die Regel als die Ausnahme. Wir führen die Übungen so authentisch wie möglich durch. Man kann die Stellung des Tieres und den Ort, wo es liegt, nicht beeinflussen. Mit vielseitigen Übungen sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf alles vorbereitet.“ Bevor es zur ersten Übung ging, legten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre PSA, die persönliche Schutzausrüstung an, die auch im Einsatz unbedingte Pflicht ist. Dann wurde der lebensgroße Rettungsdummy des Trainers entladen - ein unverzichtbares Lehrmittel für realitätsnahe Übungsszenarien. „Sam“ ist ein professioneller Pferdedummy, wiegt circa 200 kg und hat bewegliche Gelenke wie das lebendige Vorbild. Sein großer Vorteil: Er lässt alle Übungen und auch Fehler, die beim Training natürlich gemacht werden dürfen, geduldig über sich ergehen.

Trainer aus NRW vom einzigen Anbieter qualitätszertifizierter Großtierrettungstrainings in Deutschland.

Bis in den späten Nachmittag hinein simulierten die Trainingsteilnehmerinnen und -teilnehmer mit Sam verschiedenste Notlagen, wie sie im echten Einsatz vorkommen können: Es galt das Pferd behutsam aus misslichen Lagen wie Gräben oder verunfallten Anhängern zu befreien – eine Herausforderung, die Geschicklichkeit und Teamarbeit erforderte. Die Teilnehmer lernten unter Anleitung des Trainers und mit dem Dummypferd, wie eine sichere und tierschonende Großtierrettung ablaufen sollte. Dabei kamen auch Spezialwerkzeuge zum Einsatz, die der Trainer mitgebracht hat. Die Werkzeuge sind internationaler Standard und wurden für die technische Großtierrettung entwickelt. Sie sind geeignet, Tiere schonend und schmerzfrei zu befreien, ohne dass die Rettungskräfte dem Tier zu nahekommen müssen. Alle Einsatzszenarien wurden so realistisch wie möglich nachgestellt, um die Einsatzkräfte und Veterinärmediziner auf den Ernstfall vorzubereiten: Damit sich Retter nicht in Gefahr bringen und Tierbesitzer auf professionelle Hilfe setzen können.

 - Gabi Hauch (presse@comcavalo.de)